Im Grunde ist ihm eh ois wurscht. Das ist sehr praktisch.
Heut bin ich ihn am Vormittag in der Sonne die ganze Stauseerunde geritten. Die dauert etwa eineinhalb Stunden, je nachdem ob man Schritt auch reitet. Eigentlich wollt ich heut eine ganz gemütliche Schrittrunde gehen, schließlich war´s in den letzten Wochen ja mit dem Ausreiten ned so weit her, weil´s mir einfach zu kalt war. Ab dem Moment wo ich im Sattel festfrieren könnt, freut mich das nämlich nimmer. Ducado wär da ned so empfindlich. Gegen Rutschgefahr helfen Stollen – ich bin wahrscheinlich eine der wenigen Dressurreiterinnen, die im Winter Stollen montiert und unbeirrt mit der Schibrille durch den Schneesturm reitet. Der hat eh Allrad mit Traktionskontrolle und ABS! Anfrieren mag ich aber trotzdem nicht. Schließlich hab ich eine Halle, also zumindest bezahl ich, dass ich da reiten darf. Ab und zu muss man die dann auch verwenden. Mein Hufschmied – ein sehr weiser Mann! – meint immer wieder, ich solle doch wie andere Dressurreiter auch einfach im kreisrum reiten und keine wilden Experimente mit seinen Eisen machen. Aber er nagelt sie unter belustigtem Murren eh wieder drauf.
Wenn ich am Stall losreit zum Stausee, dann muss ich kurz durchs Dorf. Da muss man zwischen den Bauernhäusern und Kuhställen durch. Ich hab mir heut mal gedacht, dass das mit vielen Dressurpferden schon spannend wäre… Die Kuhställe sind offen und das schwarz-weiße Rindvieh gibt sich interessiert an den Vorbeireitenden. Es ist aber eh nicht imstande die Stätte seines Wirkens eigenmächtig zu verlassen. Ducado befasst sich damit nicht. Er ist da vielleicht ein bisschen hochnäsig. Dann ist da ein großer Holzstapel mit einer völlig zerfetzen Plastikplane, die wild im Wind wachelt, jeder Fetzen einzeln. So auf Kopfhöhe des Pferdes. Ich dacht mir, dass er vielleicht zumindest die Straßenseite soweit wechselt, dass ihm die Plastikplane nicht ins Gesicht weht… nein, er hat die Augen zugemacht, wie´s ihm über den Kopf gewachelt hat. Er hat die Plane nichtmal richtig bemerkt. Dann kommen wir an einer größeren Koppel mit 3 Haflinger Wallachen vorbei. Die kommen dann natürlich im gestreckten Galopp und laut wiehernd an den Zaun geprescht. Die grüßt Ducado mit freundlichem Kopfnicken – er hat ja nix gegen Einheimische. Er ist zwar aus Andalusien eingewandert, aber als EU Staatsbürger voll integriert. Jetzt hat er ja auch eine unheimlich offizielle Arbeitserlaubnis in Deutschland. Die Einheimischen regen sich da weit mehr auf, aber das ist ja auch grad modern. Dann müssen wir bergab zum Stausee, durch einen eher steilen schmalen Hohlweg. Da wäre mir immer lieber, wenn er den Kopf mehr vorne hat als hinten, weil das Stabilitätsprogramm dann vielleicht zuverlässiger arbeitet. Aber es haut ihn eh ned hin. Er kann nach hinten sehen und trotzdem vorwärts gehen ohne wo runterzufallen oder auch nur umzufallen. Es fühlt sich nur nicht ganz beruhigend an für mich. Der Grund, warum der Kopf immer hinten ist, ist die Tatsache, dass er es sehr begrüßen würde, wenn wir die wesentlichen Stuten mitnehmen würden, dann hätte er nämlich alles im Blick. Wenn die zuhause bleiben, dann muss er die ersten Kilometer immer wieder nach hinten sehen, ob er den Stall noch sehen kann. Kann er nicht und ich mag auch nur allein ausreiten gehen! Ich find es gibt Momente wo einfach keiner mit mir reden braucht! Wo jedes Geschnatter überflüssig ist. Ich mag einfach allein mit meinem Pferd durch den Wald reiten. Den Hund hatte ich immer mit, aber der ist schon ein bisschen altersschwach und verweigert die Begleitung. Er sitzt daweil vor dem Reiterstübchen und bellt seinen Stecken an. Oder Menschen. Oder Hunde – den Collie mit der altertümlichen Frisur! Den Collie hat Lilly überhaupt dick – der muss dann oft im Zotteltrab ums Haus laufen, weil er sonst nix darf. Aber wenn sich der Collie das einreden läßt, muss er halt ums Haus zotteln.
Unten beim Stausee isses dann wahnsinnig schön und man sieht kein Anzeichen von zivilisiertem Leben. Also kein Haus, kein Auto, nix – abgesehen davon, dass der Stausee wahrscheinlich deswegen ein Stausee ist, weil Menschen beschlossen haben ihn aufzustauen. Heut waren viele Spaziergeher und „imWaldrumsucher“ unterwegs. Da steht dann plötzlich mitten im Dickicht ein Mensch und fotografiert irgendeine Frühlingsblume mit großer Hingabe. Ich kann mich an Pferde erinnern mit denen ich da ein Problem hatte. Wenn Menschen wo plötzlich auftauchen, wo nie Menschen sein sollten. Ducado hätte das interessiert… ob man das essen kann, was der da hat. Warum sollte der sonst so einen Aufwand treiben? Irgendwann kommt man dann nach einem Abhang zu einer Holzbrücke, die so hohl klingt, wenn man mit eisenbeschlagenen Hufen da drüber reitet. Das ist vielen Pferden sehr ungeheuerlich! Die weigern sich einfach die Brücke zu betreten. Dann kommt man nur leider nicht mehr weiter. Ducado mag die Brücke auch nicht besonders gern, aber dann geht er halt am langen Zügel drüber ohne sie zu mögen.
Von der Staumauer aus hat man einen herrlichen Blick ins Land, über den See mit den schneebedeckten Bergen im Hintergrund und man sieht in der Richtung kein bisschen Zivilisation. Da verharre ich immer und schau einfach nur. Ducado frißt im Sommer immer Gras einstweilen. Heut war´s nur eine klägliche Nagerei. Dann würfeln wir kurz, ob wir die ganze Runde mit der wilden Galoppstrecke gehen oder ob wir von der Staumauer aus einfach wieder zurück gehen. Wir könnten auch zurück galoppieren, aber die Spaziergeher könnten etwas im Weg sein. Fad ist der Hengst nämlich nicht! Er ist nur völlig unerschütterlich. Aber galoppieren mag er schon – schnell und weit. Da muss ich dann doch mal die Zügel aufnehmen, wenn ich mitreden will. Nicht, dass ich noch die Hauspatschen verlier, weil Stiefel hab ich zum Ausreiten nicht an, des geht in den Patschen (Pantoffeln!). Ich wollt ja heut eigentlich brav Schritt reiten und unverschwitzt mit allen Eisen drauf wieder nach Hause kommen. Aber nach 10 Metern auf der Galoppstrecke bin ich auf seinen Vorschlag eingegangen, dass wir doch ein bisschen galoppieren. Da kommt er dann aber schon in die Gänge, da hab ich die Hände voll! Ich hab´s nicht so mitm Kontrollverlust. Lieber isses mir, wenn ich noch ein bisschen mitrede, bevor wir die Straße in eineinhalb Kilometern wieder treffen. Da muss ich dann aber schon richtig reiten, sonst ist das mit den halben Paraden ein Mißverständnis.
Da hat´s dann auch noch so fiese Wasserrinnen quer über den Weg, die man natürlich gezielt überspringen muss. Ich hab ja das treffsichere Holzauge des Dressurreiters was Distanzen angeht. Aber er ist so höflich mit zuzuhorchen, wie ich den Absprung anlegen möchte. Wenn es seiner Meinung nach so nicht geht, dann springt er einfach groß, dicht, oder schräg und kommt ganz normal auf den Füssen auf. Aber er will mir die Freude nicht nehmen, wenn ich mich schon bemüh. Aber Hurra die Gams, da gehen schon Meter weiter und müde wird der nicht. Beim Kumpel war das mit dem wilden Galoppieren ja eher so, dass er losgestartet ist, dass es mir die Haube vom Kopf gerissen hat und nach 100 m: „So. Ich bin müd, ich will heim, ich muss auf´s Klo, ich hab Hunger. War jetzt eh gscheit wild, gell!“ Ducado kann ich am Maisfeld nach 100 m nicht bremsen! Aber warum soll ich am Maisfeld auch bremsen?! Geht eh im Kreisrum…
Am Ende der Galoppstrecke, die fast die ganze Zeit bergauf geht, kann ich ihn mit ein bisschen Meckern zum Bremsen überreden. Er kennt sich eh aus. Schritt geht er aber erst am Asphalt wieder, weil da galoppieren wir eigentlich nie. Irgendwann sind wir dann rund um den Stausee und treffen wieder auf den Hohlweg Richtung Holzhausen. Wir kommen also wieder an den Einheimischen vorbei, die wieder ein Getöse machen, dass Ducado sich interessiert anhört, ohne etwas dazu zu sagen. Dann wieder die Plastikplane, aber die war jetzt ja auf der linken Seite der einspurigen Straße, wir haben ja Rechtsfahrordnung! Im Dorf hat dann mal irgendwer unerwartet eine Autotür laut zugschlagen, da hat´s ihn kurz gerissen. Also, das war jetzt einmal von den durchschnittlichen 5x pro Jahr, wenn sich Ducado schreckt…
Ich weiß, dass Iberer Reiter das völlig normal finden – Dressurreiter häufig ned so…
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